Berlin
Geschichte
Die Berliner Verfassung orientierte sich an der Weimarer Reichsverfassung von
1919
und umfasste auch das Recht auf Volksbegehren und Volksentscheid. Nach 20 Jahren Schlaf, in denen die Abgeordneten versäumten, eine Durchführungsbestimmung hierzu zu beschließen, wachten sie plötzlich
1974
auf, um das Recht aus der Verfassung zu entfernen.
1995
wurde das Recht wieder eingeführt. Doch waren die Hürden so hoch, dass es niemals zur Anwendung kam. Das obligatorische Referendum
1996
, zum Zusammenschluß der Länder Berlin und Brandenburg, scheiterte an den Brandenburgern.
Land
Art |
Ziel |
Hürden |
Ausschluß |
Volksinitiative |
Behandlung im Parlament, Anhörung |
20.000 Unterschriften, Zustimmung des Abgeordnetenhauses |
Finanzen und Personalentscheidungen |
Zulassungsantrag |
Volksbegehren |
20.000 Unterschriften, max. 6 Monate alt, Prüfung auf Zulässigkeit |
Finanzen und Personalentscheidungen |
Volksbegehren |
Volksentscheid |
bis 4 Monate nach dem Volksbegehren 7% (170.000) Unterschriften - freie Sammlung, Zulässigkeitsprüfung |
Finanzen und Personalentscheidungen |
Volksentscheid |
Gesetzesänderung |
mind. 25% Zustimmung Aller bei einfachen Gesetzen,
50% Zustimmung und 2/3-Mehrheitsklausel bei Verfassung,
keine Kostenerstattung, nur Gesetzesentwürfe sind bindend |
Finanzen und Personalentscheidungen |
dagegen die pauschale Legitimierung der Regierung in %
Wahltag | |
Mill. Wahlberechtigte | |
Nichtwähler | |
Regierung pro Wahlberechtigte |
18.09.2016 |
2,5 |
33,1 % |
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|
|
34,5 % |
Im
Vergleich
zu anderen Bundesländern.
Am
09/2006
ist es, in Zusammenlegung mit den Landtagswahlen, zu einer
Volksabstimmung
gekommen. Auch Quoren waren diesmal kein Thema. Möglich wurde dies durch einen
Deal
zwischen der
Machtgier
des Bürgermeisters
und der Lobbyarbeit des Bündnis für Direkte Demokratie,
sowie dem Widerspruch von PDS/Güne/FDP. Lobbyarbeit, und daraus folgende Abhängigkeiten, hat aber
2 Seiten.
Es wurden einerseits die Rechte zur Bürgerbeteiligung und im gleichen Atemzug der Spielraum des regierenden Bürgermeisters erweitert. Für diese Verfassungsänderung wurde eigens ein
Minigesetz
geschaffen, dass den Bürgern die einmalige Chance gibt, ja oder nein zu sagen. Es gibt kein Quorum - nur noch dieses Mal - ein klassisches Beispiel für Populismus!
Die
Eckpunkte
waren:
- Senkung von bisher 90.000 auf 20.000 Unterschriften bei der Volksinitiative (50.000 bei Verfassungsänderung)
- Das Quorum beim Volksbegehren verlangt statt 10% nur 7% Unterschriften (20% bei Verfassungsänderung)
- 1/4 Zustimmung der Wahlberechtigten beim Volksentscheid (bzw. 2/3 Zustimmung von 1/2 Beteiligung bei Verfassungsänderung)
- Konkurrenzvorlage ist möglich
- Auschlüsse sind weiterhin Bezüge, Abgaben, Personalentscheidungen
- Direktwahl des Bürgermeisters, sowie Kostenerstattung ist nicht vorgesehen
Seit
11/08
dürfen Initiatoren von Volksbegehren offiziell für ihre Sache mit Plakaten
werben.
Die Abstimmungen Tempelhof und ProReli sind am Quorum gescheitert. Nach der Tempelhof-Abstimmung zogen die Initiatoren vor das Berliner Verfassungsgericht, um die Reichweite einer Abstimmung in Berlin klären zu lassen. Laut Gericht stellte kann die Regierung nicht gezwungen werden, eine politische Forderung gegen ihren Willen zu realisieren. Der Senat sei nur verpflichtet, über das Ergebnis eines Volksentscheids nicht leichtfertig hinwegzugehen. - Eine Abstimmung wird dem Senat, dem Parlament und anderen Verfassungorganen rechtlich
nachrangig
behandelt. Beschlüsse, die die politische Willensbildung in Berlin betreffen, sind rechtlich nicht bindend. Wenige Wahllokale(nicht etwa Quoren und rechtliche Einschränkungen) begründet das Gericht so: Einer Abstimmung über eine einzelne Sachfrage kommt in der Demokratie nicht annähernd die gleiche Bedeutung zu wie den Wahlen zu den Volksvertretungen.
Im
10/09
sind vom Verfassungsgericht, zwei vom Senat abgelehnte Volksbegehren, das
Kita-Volksbegehren
und das Begehren des
Berliner Wasser-Tisch's,
für zulässig erklärt worden. Letzteres hat
10/10
die nötige Unterschriften beigebracht und die Abstimmung gewonnen. Eine Abstimmung zum
Energie-Tisch
folgt zum
ungünstigen
Zeitpunkt.
Der
S-Bahn-Tisch
wurde
05/13
für unzulässig erklärt.
Bezirke
Bezirke in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen haben wenig Gestaltungsmöglichkeiten und sind zu 85% (Finanzen) Ausführer weiter oben getroffener Entscheidungen.
Seit
2005
gibt es in den Berliner Bezirken Bürgerbegehren
und Bürgerentscheide.
Bevor dieser
Aufwand
betrieben wird, kann man in der
Bezirksverordnetenversammlung
(BVV)
erstmal für Transparenz ($$42, 43) sorgen und danach den weiteren steinigen Weg von Einwohneranträgen (§ 44) und Bürgerentscheiden (§ 45 - 47) gehen.
Art |
Ziel |
Hürden |
Ausschluß |
Bürgerbegehren |
Gesetzesänderung, Bürgerentscheid |
3% Unterschriften innerhalb 7 Monate, Zulässigkeitsprüfung |
Ordnungsangelegenheiten und Personalentscheidungen |
Bürgerentscheid |
Gesetzesänderung |
15% Teilnahme, Alternativ-Vorschlag möglich, Briefwahl |
Ordnungsangelegenheiten und Personalentscheidungen, dringendes Gesamtinteresse Berlins |
Lieblingsthemen sind Mieten, Krankenhausplanung und Verkehr. Im ersten Jahr der Einführung wurden 14 Bürgerbegehren angemeldet. Jedoch sind die meisten Bürgerbegehren nicht Rechtsverbindlich, sondern auf das Wohlwollen der Bezirksverwaltung angewiesen.
Für landesweite Abstimmungen gelten die gleichen
Plakatierungsregeln
wie bei Wahlen: 7 Wochen vorher und max. 1 Woche nach der Abstimmung.
Ausblick
Volksentscheid über
Begehren
- gescheitert an Prüfung
- gescheitert am Quorum
- gescheitert an Nein-Stimmen
- war Erfolgreich
2008
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Flughafen Tempelhof
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E |
2009
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Schulfach Religion
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Q |
2011
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Wasserverträge
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E |
2013
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Energierückkauf
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|
Q |
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|
Verfassungsänderung
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P
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24.9.2017
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Flughafen Tegel
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E |
26.3.2023
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2030 Klimaneutral
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Q |
?
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Berlin werbefrei
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? |
?
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mehr Videoüberwachung
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? |
?
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mehr Personal in Kliniken
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? |
?
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gegen die Privatisierung der Schulsanierung
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? |
?
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Senats-Neuwahlen
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? |
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Künftig sind zum Beispiel Volksbegehren zugelassen, die sich auf den Haushalt auswirken. Für den Antrag auf ein Begehren sind nur noch 20.000 Unterschriften nötig, bisher sind es 25.000. Das Quorum wird von 10 auf 7 Prozent reduziert. Bei Instrumenten wie der Volksinitiative werden die Hürden ebenfalls gesenkt. Für Verfassungsänderungen braucht es 50% Zustimmung. Das ist ein nettes Wahlgeschenk, aber keine wirklich grundsätzliche Verbesserung, zumal die Abstimmungen nicht bindend sind, also Qualität eine Petition haben.
Das
Ziel
der Parteispitzen: Damit wird die Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters entscheidend gestärkt und das Verfahren der Senatorenwahl moderner und einfacher gemacht.
Die
Kosten
einer gesonderten Volksabstimmung bezifferte der Innensenator auf ~ 1 Mill €. Auch die Ausgestaltung eines Bürgerentscheids kostet, je nach
Ausgestaltung
zwischen 70.000 und 250.000 €.
Dass die Hürden viel zu hoch sind, beweist die
Abstimmung
zu
ProReli
und die zum Flughafen
Tempelhof,
bei dem sich alle Parteien, von
Friedmann
bis zum Kanzler und sehr aktiv die Springer-Presse, beteiligten.
Man bedenke, dass bei niedrigerem oder keinem Quorum wahrscheinlich mehr Menschen zur Abstimmung gegangen wären (Bleibt zu Hause! - Boykott) und sich das Verhältnis ja/nein verändert hätte. Weiterhin ist ein Fehler zu beobachten, dass bei Volksentscheid und Bürgerentscheid die Anträge nicht als Gesetz formuliert werden und damit nicht bindend sind.
Die vielbeachtete
Diskussion
und das Abstimmungsergebnis unterstreichen die Forderung nach einem niedrigeren Quoren oder deren Abschaffung. Nach Richterspruch sind nun auch finanzielle Auswirkungen von Volksbegehren erlaubt - und jetzt (hier im Fall Kita-Volksbegehren) scheint die Stimmung unter den Politikern gegenüber direkter Demokratie zu
kippen,
wie ein Fähnchen im Wind.
Die Abstimmung zu den
Wasser-Verträgen
ist der erste Berlinweite Erfolg der Selbstbestimmung. Von 27,5 Prozent der Berechtigten sprachen sich 98,2% für die Offenlegung der Verträge aus. Das sind mehr Fürsprecher als die Regierungsparteien zur Wahl auf sich vereinen konnten. Aber da die Regierung nicht will, werden im Geheimen
hohe Preise
ausgehandelt.
Nichtsdestotrotz gab es zur Bundestagswahl
11/2013
einen Volksentscheid zum Rückkauf
der Stadtwerke, welches knapp am Beteiligungsqorum scheiterte.
Mit der
Tempelhof-2-Abstimmung
05/2014
beweist der SPD-CDU-Senat wieder Kreativität, indem er den Bürger
uneindeutig,
mindestesns aber mit Verschleierungs-/Täuschungs-absicht, zwischen 2 sich ausschließenden Ja/Nein-Möglichkeiten wählen ließ, ohne dass die Konkurenzvorlage vom ursprünglichen Senatsstandpunkt abwich und stibitzte sich mit einem Stimmzettel für beide Referenden das Quorum. Trotzdem siegte die 100pro-Initiative mit 64%.
Bürgerbeteiligung wird
seitdem
so ausgelegt, dass die Bürger die Ideen/Arbeit liefern und das Parlament entscheidet.
Neue Verhinderungstaktik im Vorfeld: Verzögerung und Ablehnung der Initiativen durch Zulässigkeitsprüfung mit negativen Ausgang.
Das Modell der Selbstbestimmung wurde im Berliner Bezirk
Lichtenberg
von Porto Alegre kopiert. Mehr Demokratie hat einige
Leitfäden
zur Planung und Durchführung von Bürger- und Volksentscheiden erstellt.
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf will Volksentscheide nur für
Schönschreiber.
01/2015
stellte die Opposition - Grüne, Linke und Piraten - den Antrag, die Hürden zu
senken
und Einspruchsrechte für Berliner Bürger einzuführen.
Stattdessen
reagierte
02/2016
die Regierung mit Vorschlägen, die Unterschriftshürden zu erhöhen, die Finanzierung weiterhin zu verweigern und stattdessen bezahlte staatliche Gegenvorschläge zu propagieren.
Das wiederum brachte so viele Organisationen auf den Plan, dass mittlerweile über eine Verfassungsänderung zugunsten von Volksabstimmungen mithilfe einer Volksabsimmung geplant wird. Nun rächt sich der Deal von
Deal
von
2006,
bei dem hohe Hürden eingerichtet wurden.
Die Regierungsparteien Linke und Grüne wollen
11/2016
eine
APO-Regierungsstelle
zur Koordination und Förderung von demokratischen Initiativen installieren.
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